Dienstag, 15. Juli 2008

Das Pilgern ist der Judiths Lust...

Bin wieder da!!! Ihr werdet es nicht glauben, aber ich bin wirklich bis Rom gekommen! In der Bilanz kann ich folgendes ueber die Reise berichten:

Kilometer: mit den ganzen Umwegen etwa 270
Kilos auf dem Buckel: ca. 10 (und ich hatte KEINE tausend Paar Schuhe, Kleidchen etc dabei ;-)!
verlorende Liter Schweiss: so viel dass die Wueste davon das Bluehen anfangen wuerde
Blasen: erstaunlicherweise nur eine, dank der super verarbeiteten Wandersocken, die den Fuss trocken halten und abpolstern, ohne dabei einzuengen (NEIN, ich werde nicht von Falke bezahlt ;-)!
dafuer Mueckenstiche: 100+
Durchschnittstemperatur: tagsueber 33, nachts 20 Grad (siehe "verlorene Liter Schweiss")
Uebernachtungen:
- Bed and Breakfast: 3
- Kloster: 3
- Pilgerherberge: 6
Die Aufenthalte im Kloster waren uebrigens super, die Schwestern vom Sacro Cuore in La Storta fanden mich sogar so ueberzeugend, dass sie mich, glaub ich, rekrutieren wollten:
Schwester Benedetta: "Meine Tochter, hast du den Ruf vernommen?"
Ich, leicht verwirrt: "Ruf...???"
B.: "Den Ruf in dir, diese Reise zu unternehmen!"
Ich: "Naja, nicht so direkt; also ich hoer schon manchmal Stimmen in meinem Kopf, aber das sind..."
hier wollte ich eigentlich hinzufuegen: "... sicherlich meine vielen Persoenlichkeiten, die zu mir sprechen", aber Schwester Benedetta ist so begeistert dass sie mich garnicht zu Wort kommen laesst:
B: "genau, eine Stimme, und wenn diese stimme dir irgendwann sagt, dass du ganz Gott gehoeren willst, dann empfangen wir dich mit offenen Armen!!!"
Ich finde Nonnen fantastisch.
Garnicht mal ironisch gemeint: ich beneide sie manchmal richtig um die Klarheit, mit der sie eine Linie in ihrem Leben gefunden haben, die sie so kompromisslos verfolgen koennen. Wenn ich glaubenstechnisch ein bisschen festgelegter und nicht so hemmungslos hedonistisch den weltlichen Genuessen verfallen waere, wuerde ich vielleicht ueber ihr grosszuegiges Angebot nachdenken ;-)! So werde ich aber vermutlich bis an mein Lebensende dem irdischen Suendenpfuhl verhaftet bleiben. Aber gut, so verfroren wie ich bin hab ichs in der Hoelle wenigstens kuschelig warm, und ausserdem treffe ich da bestimmt viele Bekannte.
Jetzt bin ich also wieder in Siena, seh aus wie eine sizilianische Baeuerin (klein, schwarz, von Feldern zerkratzt und von Muecken zerstochen) und bin zufrieden, es geschafft zu haben. Und in etwas mehr als einer Woche bin ich ja endlich wieder in der Heimat- freu mich sehr auf euch alle!
Ganz dicke Umarmung!
Eure Judith

Donnerstag, 26. Juni 2008

Fußball-Schwalbe ;-)

Die erste Neuigkeit, die ich zu berichten habe, ist eigentlich keine Neuigkeit, aber so schön dass man es trotzdem nicht oft genug erwähnen kann: Wir sind im Finale!!!!!!!!

So, jetzt aber zu den echten Neuigkeiten, allen voran eine kurze Aktualisierung der in den vorhergehenden Blogeinträgen getroffenen Aussagen bezüglich des Wetters: es ist heiß. Sehr heiß. Schweineheiß. So heiß dass ich garnicht so schnell trinken kann wie ich schwitze. Na endlich! Dies könnte zwar nächste Woche ein Problem werden, aber im Moment genieße ich es noch. Ja, nächste Woche starte ich nämlich mein großes Abenteuer: Siena-Rom, 250 Kilometer, 12 Tage, ein Rucksack, ein Paar Wanderschuhe und ein hektischer Papa. Deshalb wundert euch nicht wenn ihr die nächsten Wochen nix mehr von mir hört: ich werde mich irgendwo zwischen Siena und Rom auf der Landstraße befinden.

Ansonsten gibt es Neues bezüglich meines Proletarier aller Länder vereinigt euch-Traktats über Franco Fortini. Ich habe die Hausarbeit letzten Donnerstag abgegeben, in der irrigen Hoffnung, der zuständige Sachbearbeiter (Professor Mazzoni) würde sie lesen, korrigieren und gut ist. Weit gefehlt. Er nimmt mein capolavoro süffisant lächelnd entgegen und meint: "Sehr schön, danke, und die mündliche Prüfung machen wir dann am Dienstag!" Mündliche Prüfung?? Wer, ich?!? Warum, wieso??? Zum Lernen hatte ich dann auch gar keine Zeit, weil übers Wochenende die Juli zu Besuch kam. Deshalb stand ich dann Dienstag nach einem sehr schönen Wochenende MIT Juli und OHNE Franco Fortini unvorbereitet und nervös vor dem Sprechzimmer des Sadisten und hoffte, der Kelch möge an mir vorübergehen. Und tatsächlich: er fand sehr warme Worte für meine Hausarbeit (Mazzoni, nicht der Kelch) und meinte, er hätte hierzu keine Fragen mehr (Aufatmen) und wolle lieber über die anderen im Kurs besprochenen Dichter reden (gleich wieder Ausatmen, da noch nicht mal über die Titel der jeweiligen Bücher im Bilde). Welcher Dichter mir denn besonders gefallen hätte? Super, ich könnte jetzt wild einen Nachnamen nennen, aber schon wenn er mich dann nach dem Vornamen fragt ist alles zu spät, deshalb verlagere ich lieber den Schwerpunkt und beginne einen ausgedehnten Monolog zur Ambiguität des Wortes "gefallen" ("sie werden mir ja sicher zustimmen wenn ich sage, dass ein Unterschied besteht zwischen "gefallen" im Sinne von "Interesse erwecken" und "gefallen" im Sinn von "Befriedigung ästhetischen Empfindens" etc pp schwall blabla). Zum Glück meinte er dann ziemlich schnell danke reicht, und gab mir, vielleicht weil ihm meine Hausarbeit wirklich gefallen hat, vielleicht weil er wollte dass ich aufhöre zu reden, die Höchstnote, trenta e lode. Da haben sich die Partisanen in den Bergen ja richtig ausgezahlt ;-)!

Hm, was gibt es sonst noch Neues.... ach ja: ich habe einen Vogel. Also einen realen, zusätzlich zum eh schon vorhandenen mentalen. Sie heißt Juana la loca und ist eine kleine Kamikazeschwalbe, die offensichtlich der Meinung war, fünf Federn reichten völlig aus um zu fliegen. Geflogen ist sie ja auch, aber nur vom Dach auf den Boden, direkt vor meine Füße. Die umstehenden Italiener, für ihr empathisches und tierliebes Naturell bekannt, rieten mir Juanita umgehend zu entsorgen, da sie "ja eh krepiere". Ich habe daraufhin meine zweite Ansprache an diesem Tag gehalten, die besagt, dass sich der Grad der Zivilisiertheit einer Bevölkerung an ihrem Umgang mit Tieren zeigt und sich die Italiener demzufolge auf dem Stand von Halbwilden befinden. Die Neandertaler haben uns dann ausgelacht, aber Juanita und ich haben sie hocherhobenen Hauptes einfach stehengelassen und sind nach Hause gegangen. Dort habe ich angefangen sie ein bißchen aufzupäppeln; am Anfang weigerte sie sich, das in Milch eingeweichte Brot zu essen, und ich hatte schon Angst sie sei zu schwach, es stellte sich aber heraus dass sie schlicht und einfach Wiener Würstchen bevorzugt. Seitdem wird sie jeden Tag ein bißchen kräftiger und versucht zu fliegen, was aber im Moment noch eher mäßigen Erfolg zeigt.

so, jetzt seid ihr wieder auf dem Laufenden was mein Leben in Siena betrifft; ich muss los, Juanita füttern. Lasst es euch allen gutgehen, ich melde mich wieder nach meinem Gewaltmarsch nach Rom!

Eure Judith

Montag, 9. Juni 2008

Irland zu Gast bei Siena, Europa zu Gast bei Freunden

Wie ich ja schon erwähnt habe regnet es in Siena. Also kein 10-Minuten-Sommergewitter nach zu großer Hitze, sondern Regen im Sinn von deutscher Herbst. Deshalb liefert die Stadt auch das ideale Ambiente zum derzeit stattfindenden Peace-Friede-Freiheit in Nordirland-Festival im Garten hinter der Mensa. Die Wiesen sind grün, die Luftfeuchtigkeit stimmt, und wenn man die Augen schließt vermeint man fast das Mähen unzähliger Schafe zu hören. Wenn man die Augen wieder öffnet sieht man zwar dass es sich in Wirklichkeit um das Mähen unzähliger Senesen handelt, kommt aber fast aufs Gleiche raus. Das gebotene Programm ist auch wirklich sehr irisch (nicht dass ich von Irland wirklich Ahnung hätte, aber das Klischee wird auf jedenfall bedient) und sehr unterhaltsam: eine lustige Mischung aus Guinness, Folkloretanz, Geigen, Harfen und Flöten. Die Lieder die gesungen werden handeln übrigens von Friede, Freiheit und sicherlich auch manchmal von Partisanen in den Bergen, ich bin mir sicher. Um die feucht-fröhliche Stimmung anzuheizen ruft der bärtige, mit einer Quetschkommode und einem riesen Guinness-Bauch ausgestattete irische Klischee-Großvater in die italienische Zuschauermenge: "Hey Siena, are you having a good time?!?" Stille. Keine Reaktion. "Siena, I can`t hear you! ARE YOU HAVING A GOOD TIME???" Man könnte eine Stecknadel ins nasse Gras fallen hören. Armer Babbo Natale, so kann er das noch lange versuchen, das Zusammentreffen von italienischen Ohren und englischer Sprache trägt selten Früchte... ;-)!
Naja und seit vorgestern dann die Gegenveranstaltung zu Friede, Zimbeln und grünen Wiesen: Fußball-EM! Gut, die grüne Wiese ist da auch mit dabei, nur mit dem Friede ist es nicht so weit her, hier handelt es sich um bitteren Ernst! Na gut, auch nicht so richtig, wir sind ja schließlich alle Erasmusstudenten und von daher eine große, friedlich-freundschaftliche Ansammlung von Weltenbürgern zu Gast bei Freunden und so. Aber wenn dieser polnische Spieler mit dem unaussprechlichen Namen meint den Michael foulen zu müssen, also da könnte ich ja schon der Kasia, meiner polnischen Freundin in Friedenszeiten, unauffällig ein bißchen Salz in die Cola streuen!!! ;-))))
Es bleibt weiterhin spannend, heute Abend rollen sich ja die Weltmeister mal wieder schmerzverzerrt über den Rasen, man darf gespannt sein!
bis dahin einen sportlich-friedlichen Gruß an alle daheim und im Rest der Welt!
Eure Judith

Sonntag, 25. Mai 2008

Der ganz normale Wahnsinn

Ach Kinners, was soll ich euch sagen: ich weiss, ich hab schon seit einer Ewigkeit nichts mehr geschrieben, das liegt aber schlicht und einfach daran, dass das, was in letzter Zeit so an Spannendem in Siena passiert ist, sich praezise in einem Wort zusammenfassen laesst: Nichts. Also nichts ausser dem ganz normalen Wahnsinn. Es regnet (jaja, waehrend ihr euch in Spanien, Deutschland, Mexiko, weiss der Herr wo den Pelz verbrennt laufe ich noch im Wintermantel rum! Das nenne ich mal nen individuellen Sommer, nicht so Mainstream-Sonne-Strand-und-Party-Gedoens, wer braucht das schon ;-), die Bahnverbindungen funktionieren nicht, Berlusconi rui- aeh- regiert dies schoene Land und uns fallen im Bad die Fliesen auf den Kopf. Aber das macht alles garnichts; das Schoene ist naemlich, dass man, je laenger man in so einem Land lebt, eine immer groessere Gelassenheit und indifferenz gegenueber den damit verbundenen Unbilden entwickelt. Das Bad ist ein einziger Schutthaufen, aber der Maurer kommt erst morgen, oder vielleicht auch uebermorgen, oder evtl. naechste Woche, wenn ueberhaupt? Das einzige, was die Vermieterin dazu sagt, ist "Kinder, hebt mir bloss die heil gebliebenen Fliesen auf, die kann man wiederverwenden!"? Na gut, trinken wir einen Kaffee und vermeiden die exzessive Nutzung des Badezimmers. Duschen muss ja auch nicht dauernd sein, regnet ja eh staendig.
Wirklich, Italien ist besser als jeder Yogakurs! Meiner macht uebrigens immernoch grossen Spass, auch wenn ich zugegebenermassen immer noch etwas angestrengt aussehe wenn ich die Knie irgendwo an den Ohren habe. Fuehle mich aber trotzdem schon gelenkiger und vor allem gaaanz entspannt (in Deutschland haette ich wohl schon nen Tobsuchtsanfall bekommen und Maurer sowie Vermieterin verklagt ;-)!
Ansonsten bin ich grad dabei eine Hausarbeit in italienischer Literatur zu schreiben; es geht um Franco Fortini, einen zeitgenoessischen Dichter, der- welch Ueberraschung!- Kommunist war und ueber Freiheit, Friede und Partisanen in den Bergen schreibt. Zieht sich irgendwie wie ein roter Faden durch mein Erasmusjahr, diese Thematik ;-)!
Gestern habe ich dann mal mit Clara und Elisa den neuen Szeneclub Sienas (allein die Bezeichnung duerfte bei allen, die Siena kennen, Lachtraenen hervorrufen) getestet; nun gut. Aufgemotzte Senesen, die tun als wuerden sie in einer Metropole leben, in Kombination mit Loungeatmosphaere, "Szenecocktails" und sphaerisch-experimenteller "Szene"-Musik- ach nee, da geh ich doch lieber wieder ins altbekannt-versifft-revolutionaere Corte, da weiss man was man hat!
So, jetzt seid ihr mal wieder ein bisschen informiert ueber die Weltneuheiten aus Siena; und ich
geh jetzt mal zum Conad, bisschen Schlange stehen- ganz entspannt natuerlich ;-)!
Un saluto, eure Judith- in mezzo al caos di ogni giorno ;-)

Mittwoch, 30. April 2008

Kinder der Revolution

25. April, italienischer Nationalfeiertag- das heißt, ein Tag an dem sich das ganze Land darüber freut, dass die Deutschen es verlassen haben.
Des Weiteren heißt das, ein unifreier Tag, auf den auchnoch ein Wochenende folgt- na, da schreit Siena mich doch förmlich an: "Verlass mich! verlass mich!"
Die Gelegenheit bietet sich in Form von Luca, einem sehr netten Freund aus Parma, der in der Mensa unschuldig verkündet dass er übers Wochenende nach Hause fährt um sich ein Konzert der Modena City Ramblers anzusehen/-hören. Jo, Clara und ich horchen natürlich sofort auf: jemand verlässt die Stadt?!? Nicht ohne uns!! Und ehe er sich versieht hat er nicht nur Unterwäsche zum Wechseln, sondern auch drei gackernde Erasmusstudentinnen im Gepäck. Gott sei Dank sind seine Eltern, laut eigener Aussage, entzückt von unserem Besuch, und wir sind entzückt von ihnen: 1a-Sterneköchin trifft auf liebevollen Großpapa (der Luca ist nämlich schon Onkel von vier zuckersüßen bambini, die im gleichen Haus wohnen; als wir ankommen hat der zweitjüngste, Samuele, gerade Lucas Papa und eine Carrerabahn in Beschlag, und irgendwie macht es den Eindruck, als würde der Opa mal mindestens genauso hingebungsvoll spielen wie Samuele ;-)
Nach einem sehr üppigen Abendessen (Lasagne,, selbstgebackenes Brot, Salate, Apfelkuchen etc), während dessen wir der Mama mehrmals versichern dass der Luca ein ganz Anständiger ist und in der Mensa auch ausreichend isst, machen wir uns auf den Weg zum Konzert.
Zielpublikum: junge Pseudo-Revoluzzer mit Che-Guevara-T-Shirt, die der Meinung sind, Marihuana rauchen gehöre zum guten Ton, gekämmte Haare zum Establishment und schwarz-weiße Arafat-Halstücher zur Abendgarderobe ("das kleine Schwarz-Weiße"). Das bin ich aber von Corte dei Miracoli, Philosophievorlesungen etc schon gewohnt und fühle mich deshalb sehr wohl, wenn auch etwas zu sauber und ordentlich.
Das Konzert beginnt dann auch linientreu mit einer Ansprache zum Thema Freiheit, Widerstand und Menschenrechte, die mit vom Publikum skandierten "Berlusconi, pezzo di merda"- Rufen abschließt. Auch PCI wählen gehört zum guten Ton bei Italiens Jugend.
Dann endlich die Modena City Ramblers: ich kannte die Gruppe vorher nicht, bin aber echt begeistert; eine Mischung aus Ska und irisch anmutendem Folklore-Rock, teilweise in emilianischem Dialekt; echt lustig, und schon beim zweiten Lied machen Luca, Clara, Jo und ich mit den Dreadlock-Revoluzzern Ringelpiez mit Anfassen. Die Lieder handeln alle, wie sollte es anders sein, von Freiheit, Widerstand und Menschenrechten; dann folgt eine lange Phase ruhigerer Lieder, in denen es um erschossene Partisanen in den Bergen und um deutsche Soldaten geht. Wieso grinsen mich denn alle so seltsam an?! Ich bin schließlich 2008 mit Erasmus hier, nicht 1940 mit der Hitlerjugend! Demzufolge umarme ich meine deutschen, italienischen und spanischen Freunde und freue mich mit den Italienern darüber, dass die Zeiten sich geändert haben. Das finden anscheinend auch die Modena City Ramblers toll, denn sie entschließen sich, mit den tote-Partisanen-in-den-Bergen-Hymnen aufzuhören und wieder lustige Peace-Friede-Freiheit-Lieder zu spielen. und so sind wir nach 2 1/2 Stunden des Hüpfens genauso verschwitzt wie die Che-Guevara-Revoluzzer, aber voller unheimlich positiver vibrations, und fühlen uns auch irgendwie total widerständisch ;-)!
Am nächsten Tag sind wir alle ziemlich platt, hilft aber alles nix, jetzt wird die Stadt angeguckt. Schön ist die, sehr sauber, sehr ordentlich, sehr ruhig, fast beunruhigend, ich ziehe irgendwie den Lärm und das Chaos süditalienischer Städte vor. Trotzdem gefällt Parma uns allen gut, und Luca gibt als cicerone (=Reiseführer) sein Bestes ("ja also, das ist jetzt das Baptisterium... das ist, wie ihr seht, achteckig und aus Marmor... und da sind so Tiere in den Stein gemeißelt, die bedeuten auch was, naja so mittelalterliche Symbolik halt, ihr wisst schon... gehen wir weiter!")
Auch in Parma gibt es, wie in siena und in jeder anderen italienischen Stadt/Siedlung mit mehr als 10 Einwohnern, eine Pinacoteca Nazionale, und auch in Parma ist sie voll mit Madonnen plus Jesuskind. Die Madonnen gucken immer heilig gen Himmel, und die Jesuskinder sind immer unglaublich häßlich, und nach dem zehnten Saal mit mittelalterlichen Altarbildern möchte man einen Schrei fahren lassen. Deshalb beschließen wir, bevor es soweit kommt, den elften und zwölften Saal auszulassen (wir vermuten schwer, dort sowieso nur wieder Madonnen, Jesuskinder und pausbäckige Putten anzutreffen) und stattdessen ein Eis essen zu gehen.
Danach fahren wir raus aus der Stadt und aufs Land hinaus, wo auf einem offenen Feld anlässlich des Befreiungstags ein Fest stattfindet, das unheimlich ans KOMMZ in Aschebersch erinnert, nur dass es statt Bratwurst, Pommes und Bier Parmaschinken, Ciabattabrot und Lambrusco gibt. Dort spielt auch eine Liveband; die Lieder handeln, man möchte es nicht glauben, von Freiheit, Widerstand und Menschenrechten.
Als die Sonne untergeht und die Festbesucher sich schon lambruscotrunken in den Armen liegen um freie Liebe und Widerstand und weiß der Herr was noch alles revolutionäres zu machen, beginnt ein Chor gar wunderschön und lieblich zu singen (zwar auf Dialekt, aber ich vermute stark, dass es um Freiheit und Partisanen geht)- das sind die Feldarbeiterinnen aus der Umgebung, goldige Omis mit tollen Stimmen, und jede trägt über ihrer Kittelschürze ein Halstuch mit der Aufschrift "Liberazione- ora e sempre" (Befreiung- jetzt und für immer). In jeder italienischen Rentnerin steckt auch ein kleiner Che Guevara ;-)
Am nächsten Tag bummeln wir noch ein bißchen durch die Stadt, und dann geht es auch schon wieder zurück nach Siena; zwar ohne die leckere Küche von Signora Salini, aber dafür mit einem Haufen positiv-revolutionärer Energie ;-)!
Einen lieben Gruß an alle Genossen und Mitstreiter in der Heimat und dort draußen in der globalisierten, bunt-fröhlich-friedlich gemischten Welt- eure Judith

Samstag, 19. April 2008

Dancing in the rain

Ach Leuts, was soll ich euch berichten... die letzten Tage bzw. Wochen ist in Siena nix los außer eines: Regen. Manchmal gibt es auch kleine Regenpausen, in denen es hagelt. Und der mittelalterliches-Stadtbild-Erhaltungs-Wahn der Senesen sorgt dafür, dass sich zwischen den Pflastersteinen aus dem 14. Jahrhundert (Tradition muss bewahrt werden) nicht Pfützen, sondern Schwimmbäder bilden. Klar, Asphalt ist modern und deshalb pfui.
Also lange Rede, kurzer Sinn: die letzten Tage habe ich tagsüber mit Lesen und abends mit Tanzen verbracht. Da Siena ja, wie bereits erwähnt, keine auffällig hohe Anzahl an Tanzlokalen aufzuweisen hat, hat Jose kurzerhand sämtliche Bars, Kneipen und Cafes Sienas zu Tanzflächen umfunktioniert ("ich kenn da einen, der könnte heut abend in der Bar xy einen schönen Salsa für uns auflegen!") - das hat zur Folge, dass proportional zur Anzahl der erlernten Schrittfolgen meine Sozialhemmungen sinken (ich fand das am Anfang gar nicht witzig, vor Kellnern, Barbesuchern etc rumzutorkeln!)
Naja auf alle Fälle hat Clara beim letzten Pseudo-Tanzschuppen-Besuch (eigentlich Cocktailbar) ein Video gemacht, so könnt ihr mal (fast) live meinen aktuellen Hüftwackelstand mitverfolgen.
PS: ich hab mein bestes gegeben, stundenlang beim Internetinder gewartet um das blöde Video hochzuladen, und jetzt funktioniert´s irgendwie nicht!!!! aaahhh!!! bin echt ein technischer Alptraum, tut mir leid! aber vielleicht liegt´s ja auch an dem Computer hier und bei euch klappt es, sagt mir mal Bescheid! Bacio!

Samstag, 12. April 2008

Eine neue Wohnung ist wie ein neues Leben... dadadada....

Mensch, vor lauter Reisetagebuch schreiben habe ich ganz vergessen, die ultima novità aus Siena zu erwähnen: ich bin umgezogen! Der Grund, ihr werdet es euch denken können, kommt aus den Abruzzen, heißt Natalia und ist in erster Linie eines: laut. Ihre Vorliebe für laute, störende Geräusche, eine eher laxe Auffassung von Sauberkeit, gepaart mit einer unilateral kommunistischen Einstellung zur Distribution der Einkäufe ("alles, was Judith kauft, gehört allen") reicht, abgesehen von persönlichen Problemen, allemal aus, damit so ziemlich jeder schreiend und um sich schlagend das Haus verlässt, ohne über Los zu gehen und 500 Mark einzuziehen.
Aufgrund meiner mitteleuropäisch-unpathetischen Herkunft habe ich auf das Schreien und Um-mich-schlagen verzichtet; gegangen bin ich trotzdem, im Gepäck meine sieben Sachen (die irgendwie unerklärlicherweise im Lauf der letzten sieben Monate vom Inhalt eines Koffers zu zwei Koffern, drei Taschen und einem Rucksack angewachsen sind- mein Besitz expandiert wie`s Universum!) und Clara, die auch die Flucht ergriffen hat, und das, obwohl sie als Spanierin an Lärm gewöhnt sein müsste.
Praktischerweise waren im palazzo nebenan gerade zwei Zimmer frei, und die neue Wohnung verfügt über unschlagbare Vorteile:
1) eine geräuscharme, ordentliche und liebe Mitbewohnerin: Josephine aus Berlin
2) Fenster, bei denen sich nachts nicht von innen Eiskristalle bilden
3) Bad MIT Duschwanne, was bedeutet, dass nicht nach jeder Dusche die Seife in einem Binnensee ums Waschbecken rumschwimmt
4) Fernseher ist vorhanden, aber Gott sei Dank kaputt
5) Doppelbett -> ich kann nachts wieder meinen Drang, mich diagonal ins Bett zu legen, ausleben

Feine Sache also. Ansonsten gibt`s nicht viel Neues aus dem Mittelalter-Freilichtmuseum Siena; ach ja, doch: ich habe gestern eine neue Abendlokalität entdeckt!!! Siena ist ja nicht gerade für seine Diskothekendichte bekannt, deshalb war ich hocherfreut, als mir eine Kommilitonin von einer "Coroncina" genannten Disko erzählte, in der jeden Freitag Abend notte latina stattfindet, was wiederum meinen Bemühungen, im Salsatanzen über das "ich stehe meinem Tanzpartner hüftwackelnd auf den Füßen rum"- Niveau rauszukommen, entgegenkam. Also klemmte ich mir den Tanz-Jose unter den Arm und fuhr mit dem Bus in Richtung Coroncina, wobei wir feststellten, dass die ganz schön in culo al mondo liegt ("Mensch, bist du dir sicher dass da noch was kommt?! Hier sind gar keine Häuser mehr...")
Dort angekommen blafft uns die Tante hinter der Kasse mit dem den Senesen eigenen Charme entgegen: "Welche Schule?" Wir schauen uns fragend an, sie wird ungeduldig: "Von welcher Tanzschule kommt ihr??" Wieso Tanzschule, wir sind Autodidakten, außerdem ist der Mann neben mir eine Tanzschule auf zwei Beinen, also was will sie??? 20 Euro will sie in diesem Fall, 10 pro Person. Ich verabschiede mich in Gedanken von dem T-Shirt, dass ich auf dem Markt gesehen habe, und meine noch: "Also wenn da drin jetzt nicht echt der Punk abgeht bin ich sauer!" Beim Betreten des Tanzsaals stellen wir fest, dass definitiv NICHT der Punk abgeht, genauer gesagt: es geht ein einzelnes, mitt-60jähriges Ehepaar ab, und das was sie machen sieht auch nicht aus wie Salsa, sondern wie der Beitrag zum alljährlichen Maiball. Nun gut, so haben wir wenigstens viel Platz, Jose zum Tanzen, ich, um ihm dabei auf den Füßen zu stehen. Hüftwackelnd, versteht sich.
Gegen ein Uhr füllte sich der Saal dann doch noch ganz gut, und es wurde echt sehr lustig und schweißtreibend ("was heißt hier kleine Pause, wir haben 20 Euro gezahlt, jetzt tanzen wir auch!") So um drei war ich dann aber so fertig dass er Mitleid bekam und den geordneten Rückzug anregte; an diesem Punkt stellten wir fest, wie weit in culo al mondo die Coroncina wirklich liegt, das Taxi kam nämlich nicht und wir mussten laufen (um den Spaßfaktor noch zu erhöhen hatte ich natürlich hohe "wer schön sein will muss leiden"- Fußgefängnisse an). Aber um halb fünf lag ich dann endlich diagonal in meinem feinen neuen Doppelbett; und ach, eigentlich ist der "Barone Rosso" hier im Stadtzentrum doch garnicht so verkehrt... ;-)!
Dicken Kuss und bis bald- eure Judith (mit Blase am Fuß)

Mittwoch, 9. April 2008

Deutschland für Anfänger ;-)

Ihr werdet es nicht glauben, aber die letzte Woche war ich nicht in Siena ;-)! (die Stadt hat es mir echt angetan, zumindest tut sie mir es nach jeder Reise aufs Neue an, für zwei Wochen oder so).
Diesmal hat es mich in die Heimat verschlagen: nach Familienspaß in Andalusien war Clara, meine herzallerliebste Mitbewohnerin und Freundin, an der Reihe mit kulturellen Eindrücken im fremden Land: ihr erstes Mal in Deutschland (siehe auch ihr eigener, auf meiner Seite verlinkter Blog)!!! Ihr Erwartungshorizont bezüglich Deutschland begrenzte sich bis dato auf Kälte, Oktoberfest und Sauerkraut, sie konnte also nur positiv überrascht werden ;-)!
Vor unserer Ankunft teilte uns ein in Heidelberg ansässiger Freund via SMS mit dass daheim der Frühling ausgebrochen sei, also machte ich mir ums Wetter schonmal keine Sorgen. Wir bestiegen also gutgelaunt und hemdsärmelig im sonnigen Pisa den Flieger, in welchen wir in Frankfurt/Hahn von einem Schneesturm fast wieder zurückgeschleudert wurden. Soviel zum Frühling in Deutschland.
Das suboptimale Wetter heftete sich dann auch die ganze Woche über hartnäckig an unsere Fersen, wohin wir uns auch zu retten versuchten (Heidelberg, Aschaffenburg, Würzburg, Hochspessart...); folglich haben Claras Urlaubsfotos einen leicht trüb-depressiven Touch ("also, das ist Schloss Johannisburg in Aschaffenburg, leider bißchen dunkel geworden...", "das ist die Würzburger Residenz, da hat`s leider geregnet", "das sind Judith und ich unterm Regenschirm", "oh, guck mal, der verschneite Flughafen!")
Macht aber nix, denn natürlich gleicht die Bekanntschaft mit meinen überaus sonnigen Freunden und Verwandten jede Schlechtwetterfront aus, und bayrisches Bier, Bratwurst und das Deckenfresko von Tiepolo hinterlassen auch bei Mistwetter einen bleibenden kulturellen Eindruck, findet die kleine Bomba.
Auch ich habe den Heimat-Kurzurlaub sehr genossen und einmal mehr festgestellt, dass ich mich zwar in meinem Traumland Italien sehr wohl fühle, aber mein Zuhause eben doch Deutschland ist, bei meiner Familie, meinen Freunden,  Weißbier und Amanda-hinter-der-Cafetenkasse. Freu mich schon sehr auf euch alle daheim- bis dahin drück ich euch und versorg euch weiterhin mit Neuigkeiten aus dem Land von Pizza, Pasta und politischer Anarchie (nächste Woche Wahlen- es entscheidet sich, welcher Komiker als nächstes dieses schöne Land politisch gegen die Wand fahren darf). Dies alles hier bei Mamma Miracoli ;-)! un bacio, eure Judith

Dienstag, 18. März 2008

Kulturelle Eindrücke..... ;-)


Mein Spanienaufenthalt entwickelt sich zur Studienfahrt im Sinne der Sprach- und Kulturforschung. Neueste Erkenntnisse bzgl. des hispanischen Kultur- und Sprachraums:

1) Nichts ist, wie es scheint: so ziemlich jedes spanische Verb hat die Nebenbedeutung "f***en", annähernd alle spanischen Substantive bezeichnen über den eigentlichen Sinn hinaus noch Geschlechtsorgane

2) Alle spanischen Substantive, die nicht "Penis" oder "Vagina" heissen, bedeuten "Arschloch"

3) Die Strassenverkehrsordnung ist, ähnlich wie in Italien, eine flexibel interpretierbare Zusammenstellung von Anregungen zur Gestaltung des Strassenverkehrs, keineswegs ein starres, verbindliches Regelwerk. über das hübsche, rote Leuchten kann man sich folglich auch einfach freuen und weiterfahren.

4) Tapasbars sind KEIN Szenetreff für pijos mit gegelten Haaren/pijas mit der Hose in den Stiefeln; man reicht zu den Tapas auch keinen Prosecco. Diese Auslegung beruht auf einem Irrtum seitens der deutschen Gastronomie.

5) Man isst Gambas, indem man ALLES, was auch nur entfernt an Kopf, Schwanz, Fühler etc. erinnert, vor dem Verzehr entfernt. Auch die Beine.

6) Boquerones treten nur in frittierter Form im Dreierpack auf; wenn diese kleinen Fische noch leben, schwimmen sie frei, jeder fúr sich, herum und sind nicht etwa praktisch am Schwanz mit Panade verbunden. Das erklärte mir netterweise Claras Mama beim Abendessen.

7) "Boquerones" bezeichnet nicht nur diese andalusische Spezialität, sondern auch- NEIN, keine Geschlechtsorgane, sondern die Bewohner von Málaga. Auch diese laufen frei herum und sind nicht am Schwanz mit Panade verbunden.

8) Ich fange an, schmutzige Witze zu machen -> ich verbringe eindeutig zu viel Zeit mit Spaniern ;-)

Sonntag, 16. März 2008

Andalucía en fiesta


Ich bin schon wieder ausgeflogen- diesmal sogar staatsübergreifend: zu Claras Familie nach Málaga, um die Semana Santa zu sehen (die Woche vor Ostern, in der jeden Abend Prozessionen stattfinden in denen Leute in weissen, fatal an den Ku Klux Klan erinnernden Kapuzen tausend Kilo wiegende Gestelle mit Szenen der Passion Christi durch die Strassen schleppen). Ich bin zwar erst zwei Tage hier, aber die andalusischen Eindrücke hauen mich jetzt schon um! Claras Familie ist super nett, und das Haus ein Traum, wie in einem Film, so mit Patio und allem drum und dran! Ich empfehle aber niemandem, der gerade erst angefangen hat Spanisch zu lernen, sich gleich die volle Dröhnung in Andalusien zu geben; die Leute hier reden als würde ihnen mindestens das Haus um die Ohren fliegen sobald sie den Durchschnittswert von 300 Wörtern pro Sekunde unterschreiten, und ausserdem hegen sie eine unerklärliche Aversion gegen Wortendungen, die sie deshalb geflissentlich unterschlagen. ¡hostia!

Aber ansonsten sind alle die Gastfreundschaft in Person, wovon ich mich heute oft genug überzeugen konnte: heute hatte nämlich Claras Papa Geburtstag, das heisst, ab 2 Uhr war das Haus komplett voll mit Familie, und das Beste (Obacht, Klischee): alle waren damit beschäftigt, eine unglaublich enorme Paella zuzubereiten, mit allem möglichen Zeug drin (von Gambas über diverse Gemüse, sonstige Meeresbewohner und armes Karnickel)! Die Paella haben dann die unzähligen Gäste in Rekordzeit vernichtet; ich hab ein bisschen länger gebraucht, weil im Mittagessen noch ein Schnellkurs im Gambasessen enthalten war ("Judith, ¡mira! Kopf ab, Beine ab, Schale ab, und fertig!" haha, was haben wir gelacht, am Schluss hatte ich die Hälfte des Schalentieres auf dem T-Shirt und in der Hand nur noch einen kläglichen Rest plus einen Haufen Beine, Fühler oder was weiss ich. Aber zumindest hab ich so zur Belustigung der Einheimischen beigetragen ;-)! Und nach der Paella ging es weiter mit einem Riesen-Aufgebot an Nachtisch und Schnäpsen, denen alle eifrig zugesprochen haben, sodass in kürzester Zeit die Tanten und Onkels das Singen und Flamencotanzen angefangen haben (Obacht, nochmal Klischee ;-)! Aber das nicht etwa so wie wenn auf einer deutschen Familienfeier irgendwann nach dem zehnten Obstler Onkel Hans das Gröhlen anfängt, sondern echt schön, melodisch und ästhetisch! Ich hab nurnoch mauloffen dagesessen, was eine von Claras Tanten dazu veranlasst hat, mich über den Tisch weg zu beruhigen: "Judith, im normalen Leben sind wir respektable Menschen, mach dir keine Gedanken!"

War also eine echt lustige Feier, vielleicht rege ich beim nächsten runden Geburtstag in meiner eigenen Familie mal an, dass Tante Christel Flamenco tanzt und Onkel Burkhard dazu trommelt ;-)! Wird bestimmt unterhaltsam!

ganz liebe Grüsse aus Málaga- eure Judith

Donnerstag, 13. März 2008

Doch, es GIBT Senesen ;-)

Gestern habe ich zum ersten Mal einen Senesen kennengelernt, dieses sonderbare Völkchen, dessen Existenz ich ja zeitweise schon zu bezweifeln geneigt war.
Er heißt Natalino, ist an die sechzig und ich habe ihn gestern bei einem nächtlichen giro mit Clara auf der Straße liegen sehen. Seiner eigenen Aussage nach hatte er eine Flasche/ein Glas/einen halben Liter (Angaben änderten sich alle paar Minuten) Wein in Kombination mit ein/zwei/einer Packung Schlaftabletten zu sich genommen und wollte nun schlafen/nach Hause/zum Arzt (auch hier Angaben ohne Gewähr). Berechtigterweise machten wir uns einige Sorgen, genau wie das andere Mädel das zu uns gestoßen war. Also haben wir die Misericordia/das Rote Kreuz/die Carabinieri angerufen, sind aber von allen abgewiesen worden, offensichtlich weil alle sozialen Organisationen Sienas an diesem Tag schon fünf Mal ausgerückt waren um Natalino nach Hause oder wahlweise ins Krankenhaus zu bringen, aber jedesmal an dessen heftigem Widerstand gescheitert waren ("bevor ich mit denen vom Roten Kreuz gehe gehe ich lieber in die Hölle!") Mittlerweile waren drei weitere Mädels hinzugekommen, ebenfalls heftig besorgt. Also haben wir bei der Pronto Soccorso angerufen- "Hallo, hier liegt einer auf der Straße, der braucht Hilfe!" - "Heißt er zufällig Natalino?" Also wieder nichts. Zu diesem Zeitpunkt waren wir schon zu siebt, alle um Natalino geschart und nacheinander auf ihn einredend um ihn zum Aufstehen und nach Hause gehen zu bewegen. Aber das einzige was wir, trotz Aufgebot all unseren weiblichen Charmes, erreichten, war dass er uns seine Lebensgeschichte erzählte, mittlerweile wieder recht fit und munter rauchend. Nach etwa einer Stunde passierte dann das, womit wir alle nicht mehr gerechnet hatten: "signorine, wären sie wohl so freundlich mir aufzuhelfen und mich nach Hause zu begleiten?" Wir, die signorine, waren natürlich so freundlich, haben ihn untergehakt und machten uns daran, ihn zu siebt nach Hause zu eskortieren. Als wir um die Ecke bogen, kamen gleichzeitig die Carabinieri, das Rote Kreuz und die von der Pronto Soccorso.
Dies war meine erste Begegnung mit einem Senesen. Mit den anderen Mädels haben Clara und ich Nummern ausgetauscht, sodass der Natalino-Rettungs-Trupp vielleicht mal gemeinsam eine Flasche/ein Glas/einen halben Liter Wein trinken gehen kann.
Es grüßt euch eure Judith von der freiwilligen Misericordia Siena ;-)

Freitag, 7. März 2008

Bella Sicilia!







Wie schon des öfteren erwähnt ist Siena eine hübsche Stadt, hat aber auf Dauer die gleiche Wirkung wie ein starkes Sedativum, oder eine Vorlesung bei Philosophieprofessor Cognetti ("Was ist dieses Nichts, von dem Nietzsche spricht? und woher kommen wir eigentlich?!" - schnarch...)



Deshalb zog es uns, Julia und mich, mal wieder Richtung Jenseits der Mauern, diesmal sogar ein ganzes Stück darüber hinaus: Palermo, Stadt der Araber/Normannen/Griechen/Mafiosi/Calimero-mit-der-Eierschale-uffm-Kopp! Aufgestanden sind wir am Tag der Abfahrt um halb 7, in Palermo angekommen sind wir hingegen um 6 Uhr abends, weil- klar- das Flugzeug 3 Stunden Verspätung hatte. Warum sollte auch was, was in Italien auf Schienen nicht hinhaut, in der Luft reibungslos funktionieren ;-)? War aber nicht schlimm, und in Palermo erwartete uns schon Beta, Julias ehemalige portugiesische Mitbewohnerin, die uns für die 5 Tage beherbergt hat. Sie, Beta, ist ein Spektakel, in jeder Hinsicht: vornehmlich in fröhliches Schwarz gewandet, über und über mit Schwermetall um bzw. durch den Körper geschmückt, ihrer Aussage nach mit starkem Kaffee und Whiskey verheiratet und meist mit einem locker an die Unterlippe gehefteten Joint anzutreffen, ist sie das in Dr Martens wandelnde Beispiel dafür, dass Äußerlichkeiten keinerlei Aussagekraft haben, denn statt unablässig zu fluchen und Kleintiere zu opfern, wie man vermuten könnte, ist sie einer der fröhlichsten, gastfreundlichsten und liebenswertesten Menschen, die ich in Italien getroffen habe.Auch ihr Schlaf-Wach-Rhythmus ist bemerkenswert: die Frau schafft es, jeden (!) Abend bis mindestens vier Uhr wegzugehen (gemeinsam mit Vincenzo, Freund des Hauses mit überwältigendem Schlafzimmerblick, Anna, ihrer goldigen deutschen Mitbewohnerin, diversen anderen Freunden und ihren beiden Ehemännern, Joint und Whiskey ;-), und dann den Tag über zu schlafen (vor der Geräuschkulisse eines sizilianischen Wochenmarktes). Aber entweder waren Julia und ich jeden Tag zu lang auf Sightseeing-Tour, oder wir haben schon zu lange in Siena gelebt, oder wir sind schlichtweg zu alt, auf alle Fälle lagen wir meist um 1 im Bett um am nächsten Tag wieder die Umgebung unsicher zu machen, während der ersten beiden Tage in Begleitung von Nannet, einer Holländerin die auch gerade zu Gast im Hause Beta/Anna/Joint/Whiskey war. Und die Umgebung lohnt es echt, unsicher gemacht zu werden: Palermo ist meine persönliche Traumstadt, und auch Julia war gleich begeistert. Die Stadt ist an manchen (eigentlich sogar ziemlich vielen) Stellen verfallen und schmutzig, an anderen prachtvoll und golden, wie in einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht- und die Menschen das Gegenteil der Senesen: offen, freundlich, präsent und an kulturellem Austausch interessiert (gut, sie sind ja auch schon seit Jahrtausenden an selbigen gewöhnt ;-). In der Tat, Leute, die in palermo Erasmus machen, haben Kontakt zu Einheimischen! In echt!!! Die palermitani kommen nämlich nicht nur einmal im Jahr aus ihren Höhlen gekrochen um 3 minuten lang im Kreis zu reiten und den Rest des Jahres durch Abwesenheit oder touristenmordlüsternen Blick zu glänzen, NEIN, sie verbringen eigentlich sowohl den ganzen Tag als auch 2/3 der Nacht im Freien, diskutierend, gestikulierend und essend (auch das eine sizilianische Eigenheit, wie uns ein rein optisch eindeutig in direkter Linie von William the Conqueror abstammender palermitano erklärt: auf Sizilien nimmt man über den Tag verteilt etwa 20 Mahlzeiten zu sich, die letzte vor dem Zubettgehen, also um 4 Uhr früh.) Kurzum: Julia und ich fühlten uns mehr als wohl in einem Haufen Erasmusstudenten und Sizilianer, die einen an allen Ecken und Enden anquatschen und an ihrem mediterranen Mitteilungsdrang teilhaben lassen, ob wir wollen oder nicht. Aus diesen Gesprächen hat sich dann meist als Fazit ergeben, dass



1) in Deutschland die Menschen alle Steuern zahlen und überhaupt gerne Gesetze beachten (sagen die Sizilianer)



2) die Sizilianer freundlicher sind als die Senesen (sagen wir, und sie selbst eigentlich auch ;-)



3) Julia und ich keine Deutschen sind, sondern wahlweise Spanierinnen, palermitane oder Türkinnen ("ihr seid aber nicht blond- welcher Ethnie gehört ihr denn an?!")



Außer mit Diskussionen dieser Art haben wir unseren tollen Urlaub von Siena mit Besuchen des gigantischen botanischen Gartens, einem Ausflug ans Meer (jahaa!) und einem Tag in Monreale verbracht; und natürlich mit Impressionen von Palermo, die manchmal wirklich bizarr waren: der Busfahrplan der Linie 867 Palermo-Monreale gibt beispielsweise nicht die Abfahrtszeiten von Palermo, sondern die von Monreale aus an (???), erdbebenbedingte Risse im palazzo dei Normanni werden kurzerhand mit Tesaband verklebt (siehe Foto), auf einmal kommt auf einer vielbefahrenen Straßenkreuzung ein Halbwüchsiger auf einem Pony in einem Affenzahn um die Ecke galoppiert (ist Beta zufällig nicht nur mit Joints, sondern auch mit halluzinogenen Pilzen verheiratet, die sie uns heimlich in die Pasta mischt?!) - eben auf der Hauptverkehrsstraße die dann Sonntags gesperrt ist, damit man darauf spazierengehen kann. Lustige Stadt.



Naja, nachdem wir dann irgendwie dem enigmatischen Busfahrplan entnommen hatten, wann die Busse nach Monreale fahren, haben wir auch dorthin einen Ausflug gemacht; der Dom dort ist wirklich der Hammer, die Verbindung von arabischer und normannischer Kunst ist beeindruckend, ein riesen Kirchenschiff komplett aus goldenen Mosaiken! Wenn man sich das so anschaut fragt man sich echt, wie viel Geld die Kirche damals so auf der hohen Kante hatte, und für den nicht unwahrscheinlichen Fall dass sie das heute immer noch hat, warum sie es dann nicht in bester christlicher Nächstenliebe den Entwicklungsländern spendet, was sie diesem Status vermutlich sofort entheben würde.



Nach soviel Gold, Glanz und Glorie haben uns Julia und ich erstmal ein bißchen im angrenzenden Klostergarten in der Sonne entspannt; ein weiterer Grund, Sizilien zu lieben: es war schon so angenehm warm wie bei uns vielleicht Ende April, Anfang Mai! Aufgrund der in Palermo kursierenden Gerüchte, in Bologna habe es im Moment 27 Grad, sind wir dann zwar schweren Herzens, aber voller Hoffnung auf Frühling in der Toskana am Dienstag wieder in den Flieger gestiegen. In Pisa begrüßten uns Regen, Wind und kuschelige 7 Grad. Der, der diesen Mist mit 27 Grad in Bologna verzapft hat, muss wohl zu lange in der Sonne gesessen haben; Tatsache ist, dass es im Moment in Bologna schneit. In Siena übrigens auch.



Naja, zum Glück bin ich ja ab nächsten Freitag in Málaga bei Clara (ich bin irgendwie konstant auf Siena-Flucht, merkt man's ;-)?



Der Besuch im Süden hat sich auf jeden Fall gelohnt, und jedem, der darüber nachdenkt in Italien Erasmus zu machen, sei Palermo wärmstens ans Herz gelegt.



Ganz viele liebe Grüße und einen dicken Kuss an alle



eure reiselustige Judith ;-)

Montag, 25. Februar 2008

Fiat, Ferien und Familie



Meine lieben Freunde daheim, auf diesem Bild seht ihr mich neben einem Stück italienischer Reinkultur: ein Fiat 500, Baujahr irgendwann schon länger her, ein motorisierter Traum, will ich haben!!! Gut, falls ich mal wieder das Bedürfnis haben sollte einen Straßengraben von ganz nah zu sehen ist die Knautschzone nicht wirklich ausreichend, aber ansonsten- falls ihr mal nicht wisst was ihr mir schenken sollt.... ;-)!

Das Foto entstand übrigens an den Ufern des schönen Lago di Bolsena, wohin ich am letzten Samstag mit meinem Heimatbesuch, Onkel Ralph und la mamma, ausgeflogen bin (kleine Erklärung am Rande: meine family, teilweise ich inklusive, macht seit etwa hundert Jahren jedes Jahr dort Urlaub, was uns vor allem die hiesigen Katzen danken, da die Mutter die immer füttert und manchmal auch importiert. Der Ausflug diente deshalb auch in erster Linie der Verköstigung ansässiger Vierbeiner.) Der missionarische Katzen-Fütterungs-Eifer meiner Mama hat sich aber im Ansatz schwierig gestaltet, da der Lago di Bolsena nicht grad um die Ecke ist und man hier am Wochenende keinen Mietwagen für einen Tag, sondern wenn dann nur von Samstag bis Montag bekommt (habe ich schon mal erwähnt dass die Autovermieter in Siena das hinter-vorder-allerletzte sind???? glaub schon, oder???). Also haben wir uns für Zug und Bus entschieden, was aber dank der allseits geliebten Trenitalia mit langen Wartezeiten und super nervigen, nicht enden wollenden Durchsagen am Bahnhof verbunden ist ("Il treno regionale numero 1342, proveniente da Roma in direzione a Firenze Santa Maria Novella, arriverà con 20 minuti di ritardo- it is strictly forbidden to cross the yellow line- we inform our passengers....blabla" vaffanculo!!!) Aber schon nach etwa dreieinhalb Stunden waren wir dann am Ziel und haben einen echt schönen Tag in der Sonne an den Ufern des besagten Sees verbracht. Und Katzen gefüttert, ist klar ;-)

Leider war der Besuch der Beiden viel zu kurz, gestern sind sie schon wieder heimgefahren; aber vorher haben wir uns noch ein bißchen in die Sonne auf die Piazza gesetzt, zusammen mit meiner Clara, die Mama am liebsten mit nach Deutschland genommen hätte (Katzen-Fütterungs-sowie Spanier-Adoptier-Eifer ;-))

Jetzt wo sie wieder zu Hause sind bleibt mir nur eins zu sagen: DANKE für den schönen Besuch!!! Und, wie gesagt, falls mir jemand mal ne Freude machen will, ein froschgrüner Fiat von vor langer Zeit wär ne feine Sache ;-)))

tanti abbracci an alle in der Heimat! eure Judith

Dienstag, 19. Februar 2008

Shit happens... ;-)

Ey Leuts, sorry, ich bin schon wieder hinterher mit der Berichterstattung, aber im Moment geht es echt grad nicht anders... mein Leben steht aus tausend Gruenden Kopf, beispielsweise weil ich einen funkelnagelneuen, leider aber nur teilkaskoversicherten Miet(!)wagen in einen toskanischen Strassengraben gesetzt habe und nun grad versuche, diese mafioesen Werkstattbetreiber von ihren voellig haltlosen Forderungen runterzuquatschen- 800 Euro um ne Delle auszubeulen, ich glaub es hackt, gebt mir nen Hammer und ich mach das selbst! Um bei der Wahrheit zu bleiben, eigentlich quatsche nicht ICH diese Mafiosi im Blaumann zu sondern Salvatore, wohlbeleibter Mensachef und nebenberuflich vermutlich Engel oder so; alleine wuerde ich das glaub ich nicht hinkriegen, weil mir nicht nur das technische Fachwissen, sondern in diesem Gebiet leider auch das noetige Vokabular sowie Pokerface abgeht. Ich beschraenke mich daher darauf, ihm beim Verhandeln ueber die Schulter zu gucken und bekraeftigend zu nicken.
Als waer das nicht genug, haben jetzt auch noch nacheinander Lisa und Belinda Italien den Ruecken gekehrt; an dieser Stelle ein kleiner Gruss an die Beiden: ihr fehlt mir jetzt schon unglaublich, fuehlt euch von mir via Blog umarmt!!!
und ausserdem ist nach einer ruhigen Woche, in dem mein Claraschatz und ich die Wohnung fuer uns allein hatten, Nata heimgekehrt und hat beschlossen, dass man Teller auch sehr gut so lange in der Spuele stehen lassen kann bis sie selber in den Schrank zuruecklaufen. Das funktioniert, jawoll, man muss nur lang genug warten!!!
Soviel also zum momentanen Stand der Dinge; ich meld mich wieder wenn ich meinen Kopf wiedergefunden hab. Muss irgendwo zwischen den Reparaturrechnungen, Taschentuechern und Kopfschmerztabletten liegen.
Lieb euch alle, eure Ju

Sonntag, 27. Januar 2008

Carnevale in Toscana

Oh ihr lieben ungeduldig Wartenden, entschuldigt den Informationsverzug, war am Feiern ;-)! Ich bin noch am selben Tag drangekommen (Wunder gibt es immer wieder...) und habe bestanden!!! Mit 28/30 Punkten, jawoll! Und hiermit habe ich hochoffiziell "schon" nach vier Monaten meine ersten Credit Points bekommen (ich hoffe die vom akademischen Auslandsamt lesen das hier ;-)! Naja und das habe ich dann mit den Maedels zum Anlass genommen, das Wochenende mit diversen Feiern und Ausfluegen zu verbringen, man muss sich ja ein bisschen selbst belohnen, nicht wahr.
Gestern war ja sowieso unser allwoechentlicher Ausflugstag; diese Woche im Butterfahrten-Programm: Lucca, Stadt der Kinder, Hunde und Gruenanlagen. Unglaublich, wir haben an diesem Tag in einer Stunde mehr Kinder gesehen als in Siena in all den Monaten zusammen! Und alle in so putzige Karnevalskostueme gepackt- dauernd laufen einem rosa Hasen ueber den Weg! Aber auch in Siena auf der Piazza del Campo wimmelt es momentan nur so von Prinzessinen, Piraten und allerlei Getier ("Oh, guck mal, was fuer ein suesser kleiner Tiger! und da, ein Baerchen! Oh, eine Taube! Ach nee, die war echt...") Die Italiener sind echt faschingsbesessen, im krassen Gegensatz zu mir, die ich beim Anblick von Luftschlangen, Konfetti und Buettenrednern roten Ausschlag bekomme. Also fuer Kinder ist das echt ok, aber sobald ausgewachsene Menschen mit Teufelshoernern auf dem Kopf Polonaise tanzen brennt bei mir ne Sicherung durch, im Ernst!
Nun aber zurueck zu Lucca. Obwohl wir alle etwas kaputt waren von der Geburtstagsfeier von Santi, Julias Mitbewohner (kleine gemuetliche Feier im engen Freundeskreis, will heissen: 150 Spanier) machten wir (Clara, Julia, Lisa, Steffi, Christina, Claudio und ich) uns morgens auf, um romanische Kirchen und die oben erwaehnten karnevalesken Auswuechse zu besichtigen. Sonnenschein und gefuehlte 20 Grad schlagen Kater und Muedigkeit ;-)! Und das Tolle war dass Lucca, im Gegensatz zu Siena, ueber enorm viel Gruen verfuegt, also haben wir einen richtig schoenen fruehlingshaften Spaziergang um die Stadt rum gemacht, umgeben von Joggern, Radfahrern, Inline-Skatern, anderen Sportfanatikern und rosa Karnevalshasen. Auf einem Buecherflohmarkt haben wir uns dann noch mit literarischen Raritaeten eingedeckt (Bridget Jones auf Italienisch, Zingarelli-Ausgabe aus den 20ern etc.; ich habe dann die Butterfahrtengruppe damit unterhalten dass ich meinen Neuerwerb, einen Roman von Pirandello, an allen moeglichen und unmoeglichen Stellen in und um Lucca vergessen habe; aber das koennt ihr ja in Lisas Blog lesen ;-)! An dieser Stelle nur noch mal ein herzliches Dankeschoen an meine aufmerksamen Mitreisenden!)
Abends haben wir dann in Siena voellig erschoepft und ausgehungert die Mensa gestuermt (wo ich, zur Ueberraschung aller, meinen Pirandello habe liegen lassen...), und Clara hat ihren ersten vollstaendigen Satz auf Deutsch gelernt: "Tut mir leid- ich bin total kaputt!"
So, ich geh jetzt gleich noch eine Runde meinen Tanz-Jose belaestigen, der sich in den Kopf gesetzt hat, mich Salsa-Wettbewerbs-reif zu machen (armer Irrer- er weiss nicht was er sich antut...) und dann ruhe ich mich erstmal ein bisschen aus.
Ich umarme euch alle, und danke fuer eure rege Anteilnahme an meiner Pruefungspanik ;-)! Eure Judith

Mittwoch, 23. Januar 2008

Auf heißen Kohlen

Liebe Freunde, die Lage ist ernst. Ich habe in einer Stunde (obwohl, so genau kann man das ja nicht sagen hier in Italien...) eine mündliche Prüfung (die, die mich schon mal vor mündlichen Prüfungen aushalten durften, wissen was das bedeutet...) und sitze folglich auf heißen Kohlen, die vom italienischen Prüfungssystem noch zusätzlich geschürt werden. denn die Prüfung hätte eigentlich schon um 11 sein sollen, aber dann ist der Dozentin eingefallen dass sie ja auch noch Sprechstunde hat (völlig überraschend, sowas aber auch! Sprechstunden kommen echt wie Naturkatastrophen, total unvorhersehbar! tsts!) und außerdem um zwölf eine Versammlung (auch diese vermutlich völlig aus dem Nichts heraus), aber weißt du was Judith, geh doch einfach was essen, entspann dich ein bißchen (mein Stichwort... ;-) und dann kommst du einfach um halb drei nochmal ja??? Toll. Ich perle Schweiß, ich schwitze Perlen, und ich bin alles, nur nicht entspannt. Hätte ich nur am Montag besser aufgepasst und mir wenigstens dieses Mantra gemerkt, dieses Om Namaya Shivaya- Dings... da könnt ich jetzt ein bißchen meditieren, so in der Fußgängerzone...
Wir haben übrigens am Montag im Yoga Kopfstand gemacht; das heißt, die Lehrerin und Carlos haben Kopfstand gemacht, wir Mädels sind der Reihe nach umgefallen. War witzig, besonders für die die NICHT umgefallen sind. Ihr merkt schon, dieser Yogakurs nimmt die American Pie-Ferienlager-Dimension an: "Und wieder ein anderes Mal... im Yogakurs...." ;-)!
Also meine Lieben, ich geh mal weitersterben... wie wird das nur ausgehen? Wird die kleine Deutsche es schaffen die Dozentin trotz spärlichen Halbwissens von ihrer Kompetenz zu überzeugen? Werden ihr die richtigen Worte auf Italienisch einfallen? und vor allem: wird sie überhaupt heute, morgen oder in diesem Leben noch drankommen??? Fragen über Fragen, dies alles im nächsten Blogeintrag ;-)!
tanti baci von eurer Stresserin

Donnerstag, 17. Januar 2008

"Ich umarme mein inneres Selbst"

Namasté, liebe Freunde, und ein herzliches oooooommmmm...... aus Siena!
Am Montag hat ja, wie bereits lang und breit angekündigt, mein Yogakurs im Alternativ-Kreativ-Freizeithaus Corte dei Miracoli angefangen. Also hab ich mir mal ne Wolldecke unter den Arm geklemmt und bin da hin, ehrlich gesagt mit nicht allzu viel Ahnung, was da auf mich zukommt (und das trotz Yogalehrerinnen-Mama, Asche auf mein Haupt...)
Die insegnante hat gleich einen sehr positiven Eindruck gemacht: sehr jung, sehr dynamisch und mit ungeheuer beweglichen Gliedmaßen (im krassen Gegensatz zu meinen, die bei der geringsten Dehnung krachen wie bei einer 80jährigen). Sie begrüßte mich auch sehr freundlich mit "Hallo, Judith, schön dass du da bist; Mensch, hast du aber ne Skoliose!"
Außer mir befanden sich in dem Kurs noch genau zwei andere Kursteilnehmerinnen im Alter von etwa Ende 30, eine davon enorm entspannungsbedürftig, da sie kurz vor dem Kurs fast an einer Bohne erstickt wäre, diese dann aber Gott sei Dank ausgespuckt und durchs halbe Restaurant gehustet hat, weshalb sie es, laut eigener Aussage, eigentlich bevorzugt hätte vor lauter Peinlichkeit tatsächlich gestorben zu sein ("Cristina, warum war dir in diesem Moment die Meinung der anderen Menschen so wichtig?")
In diesem Sinne beginnen wir die Stunde unter dem Motto "Ich umarme mein inneres Selbst und schere mich nicht drum, was andere denken. Namasté und willkommen". ich versuche verzweifelt, das Begrüßungsmantra mitzusingen, tue mir aber mit dem Sanskrit noch etwas schwer ("om nama shivaya haya hata hab...hab..." was????) naja, wird ja jede Stunde wiederholt, in ein paar Wochen hab ich`s sicher drauf.
Dann fangen wir mit gaaaanz einfachen Sachen an (das geht ja schon los mit dem gerade Hinstellen, selbst das ist garnicht so einfach wie sich`s anhört, sag ich euch! Vor allem mit ner Skoliose!) und gehen über zu etwas anspruchsvolleren Übungen, die sich ein bißchen schwierig gestalten, weil mir das nötige Fachvokabular noch etwas abgeht (leider entzogen sich Wörter wie "unterer Beckenboden", "Halswirbelsäule" und "Kniescheibe" bislang meinem Italienischwortschatz). Also schiele ich halt immer wieder mal zwischen den maximal durchgedrückten, trotzdem sanft gebeugten und total locker gelassenen Kniescheiben durch um zu schauen wie die anderen das so machen ("Judith, wie geht es dir? Du siehst etwas angespannt aus!")
Zum Schluss entspannen wir uns noch etwas und bedanken uns drei mal bei unserem inneren Selbst. Ich bin zwar etwas erschöpft, aber dafür auch sehr entspannt und ausgeglichen. Es irritiert bzw. beängstigt mich nur ein bißchen, als die Lehrerin zum Abschluss der zwei Stunden meinte: "Ja Mädels, heut haben wir ja fast nichts geschafft; naja, zur Einstimmung für Judith war das bestimmt ganz gut, und nächste Woche geht es dann richtig los!" Ja wie, dann geht`s richtig los?! Da legen wir dann die Kniescheiben ganz entspannt auf der Halswirbelsäule ab, oder was?!? bin mal gespannt. Hatte auf jeden Fall danach einen irren Muskelkater; heute ist der erste Tag an dem ich wieder einigermaßen normal Arme und Beine bewegen kann.
Und da soll nochmal einer sagen, innere Ausgeglichenheit zu finden sei einfach! Harte Arbeit ist das, sag ich euch, harte Arbeit!!!
Es umarmt euch eure muskelverkaterte Judith

Donnerstag, 10. Januar 2008

Die Ruhe vor dem Sturm

so, meine erste Woche back to chaos ist schon fast vergangen; arg viel zu erzählen gibt es momentan noch nicht, außer dass ich mit der schockierenden Tatsache konfrontiert wurde dass ich in weniger als zwei Wochen schon mündliche Prüfungen habe und dass die Stadt aufgrund der urlaubsbedingten Abwesenheit der Spanier einer Geisterstadt ähnelt. Keine meterlangen Schlangen in der Mensa, kein dichtes Gedränge in der Studentenkneipe "Incontro", ausgestorbene Gassen, eine gähnend leere Piazza- man merkt tatsächlich dass mit den 250 Erasmusspaniern etwa 1/4 der Stadtbevölkerung verschwunden ist ;-)!
Naja, morgen kommt meine neue Mitbewohnerin und Lieblings-Andalusierin Clara nach Hause, und eh man sich versieht ist Siena wieder laut, chaotisch und spanisch.
Bis dahin genießen die anderen Mädels und ich grad ruhige Kochabende, gemütliche Teestündchen und Spaziergänge, alles, was zur inneren Ruhe und Ausgeglichenheit beiträgt, die überall außerhalb der Via del Pignattello 27 zu finden ist.
Denn da geht schon wieder der Punk ab. Prüfungszeit für mich bedeutet nämlich Prüfungszeit allgemein und somit auch Prüfungszeit für Natalia. Und das wiederum bedeutet nur eins: Chaos. Im Moment befindet sie sich noch in der latenten ->Verleugnungsphase, die; Phase des nicht-wahrhaben-Wollens einer belastenden Situation: "was? Prüfungen? DEMNÄCHST?! kann nicht sein.", gefolgt von einer Staffel "Tempesta d`amore" und der langsam eintretenden -> Erkenntnisphase, die; Phase des sich-Bewusstwerdens einer bestehenden Problematik: "Hm, in zehn Tagen ist ja schon die Prüfung; oh Gott, vielleicht sollte ich mir mal die Bücher bestellen!" Diese geht über in eine lange Phase der panischen -> Übersprungshandlung, die; das Verfallen in blinden Aktionismus zum Ablenken von tatsächlichen Gegebenheiten: "Ich kann jetzt grad nicht Lernen... ich muss mich entspannen und außerdem kommt grad Dr.House... Mensch wie sieht denn eigentlich die Küche aus, die wollte ich ja schon längst mal streichen!" Selten kann es zwischen den einzelnen Phasen auch zu sogenannter -> Produktivität, die; Phase des sich-Auseinandersetzens und Reagierens auf ein bestehendes Problem: "Buch ist da, ich schau mal rein" kommen. Aber, wie gesagt, eher selten. Einen Abend vor der Prüfung kulminiert diese psychologische Fallstudie dann in der Phase der absoluten ->Panik, die; diese zeichnet sich aus durch kopfloses Blättern in zehn verschiedenen Büchern gleichzeitig mit anschließender Resignation und/oder Ohnmacht. Das eigentlich witzige bzw. tragische an der Sache ist dann aber, dass sie die Prüfung letztenendes meist mit 28 Punkten (von 30!) besteht UND SICH ÜBER DAS SCHLECHTE ERGEBNIS AUCHNOCH BESCHWERT.
Nun gut, das alles nur zur Illustration des Dramas in vier Akten, das mich in den folgenden Tagen zu Hause vermutlich erwarten wird. Gott sei Dank fängt am Montag mein Yogakurs an.
die liebsten Grüße von eurer entspannten Judith

Sonntag, 6. Januar 2008

Judith bentornata

So meine Liebsten zu Hause, der erste Eintrag im neuen Jahr, live aus Siena! bin gut zurueckgekommen, die Trenitalia hat es sogar erstaunlich zuverlaessig mit einer Verspaetung von unter einer Stunde geschafft! Zwar nur knapp drunter, aber immerhin, das neue Jahr laesst hoffen!
Mein neues Jahr steht uebrigens unter dem Motto "Die Romleins entspannen sich". Mein Kontrollteufel und ich, wir werden einen Yogakurs machen, mit allem drum und dran, ihr werdet uns nicht wiedererkennen im Sommer! Ich werde entspannt, ausgeglichen und in meiner Mitte sein wie ein laechelnder Buddha (dank Pizza und Pasta ist es auch nicht unwahrscheinlich dass ich den entsprechenden Koerperumfang gleich mit annehme, quasi proportional zur inneren Ausgeglichenheit ;-)! Und nichts und niemand wird mich mehr aus der Ruhe bringen, ich bin auf dem besten Weg.... wieso funktionieren eigentlich bei diesem Computer di merda die Umlaute schon wieder nicht.... was soll denn das.... kaum ist man mal drei Wochen weg klappt hier garnix mehr.... ICH SCHMEISS DAS DING AN DIE WAND... aaahhhh!!!!

Ihr seht, ich habe einen langen Weg vor mir.

Aber dieser Blogeintrag dient eigentlich weniger dazu, euch meine guten Vorsaetze fuers neue Jahr naeherzubringen, sondern vielmehr dazu, euch nochmal DANKE zu sagen fuer die tolle Zeit die ich daheim hatte! Ihr seid die Besten und es ist unglaublich schoen zu wissen dass es auf der Welt einen Ort gibt an dem man sich immer, immer zu Hause fuehlt und wo die beste Mama, der beste Papa, die beste Schwester und die tollsten Freunde die es gibt auf einen warten!
Lieb euch alle!

So, genug der Sentimentalitaeten, wenden wir uns den bodenstaendigen Dingen des Lebens zu: ist heute, am Fest der Befana, die Mensa geoeffnet?!? wenn nicht wird hier gleich ein gaaanz ausgeglichener, in sich ruhender Mensch friedlich laechelnd DIE BLOEDE TUER AUFBRECHEN UND GEWALTSAM PASTA EINFORDERN!!!! Bin am VERHUNGERN!!!

Also meine Lieben, ich geh dann mal los; fuehlt euch geknuddelt von eurer Judith, die, auch 1000 km entfernt, ganz nah bei euch ist. baci