Dienstag, 18. März 2008

Kulturelle Eindrücke..... ;-)


Mein Spanienaufenthalt entwickelt sich zur Studienfahrt im Sinne der Sprach- und Kulturforschung. Neueste Erkenntnisse bzgl. des hispanischen Kultur- und Sprachraums:

1) Nichts ist, wie es scheint: so ziemlich jedes spanische Verb hat die Nebenbedeutung "f***en", annähernd alle spanischen Substantive bezeichnen über den eigentlichen Sinn hinaus noch Geschlechtsorgane

2) Alle spanischen Substantive, die nicht "Penis" oder "Vagina" heissen, bedeuten "Arschloch"

3) Die Strassenverkehrsordnung ist, ähnlich wie in Italien, eine flexibel interpretierbare Zusammenstellung von Anregungen zur Gestaltung des Strassenverkehrs, keineswegs ein starres, verbindliches Regelwerk. über das hübsche, rote Leuchten kann man sich folglich auch einfach freuen und weiterfahren.

4) Tapasbars sind KEIN Szenetreff für pijos mit gegelten Haaren/pijas mit der Hose in den Stiefeln; man reicht zu den Tapas auch keinen Prosecco. Diese Auslegung beruht auf einem Irrtum seitens der deutschen Gastronomie.

5) Man isst Gambas, indem man ALLES, was auch nur entfernt an Kopf, Schwanz, Fühler etc. erinnert, vor dem Verzehr entfernt. Auch die Beine.

6) Boquerones treten nur in frittierter Form im Dreierpack auf; wenn diese kleinen Fische noch leben, schwimmen sie frei, jeder fúr sich, herum und sind nicht etwa praktisch am Schwanz mit Panade verbunden. Das erklärte mir netterweise Claras Mama beim Abendessen.

7) "Boquerones" bezeichnet nicht nur diese andalusische Spezialität, sondern auch- NEIN, keine Geschlechtsorgane, sondern die Bewohner von Málaga. Auch diese laufen frei herum und sind nicht am Schwanz mit Panade verbunden.

8) Ich fange an, schmutzige Witze zu machen -> ich verbringe eindeutig zu viel Zeit mit Spaniern ;-)

Sonntag, 16. März 2008

Andalucía en fiesta


Ich bin schon wieder ausgeflogen- diesmal sogar staatsübergreifend: zu Claras Familie nach Málaga, um die Semana Santa zu sehen (die Woche vor Ostern, in der jeden Abend Prozessionen stattfinden in denen Leute in weissen, fatal an den Ku Klux Klan erinnernden Kapuzen tausend Kilo wiegende Gestelle mit Szenen der Passion Christi durch die Strassen schleppen). Ich bin zwar erst zwei Tage hier, aber die andalusischen Eindrücke hauen mich jetzt schon um! Claras Familie ist super nett, und das Haus ein Traum, wie in einem Film, so mit Patio und allem drum und dran! Ich empfehle aber niemandem, der gerade erst angefangen hat Spanisch zu lernen, sich gleich die volle Dröhnung in Andalusien zu geben; die Leute hier reden als würde ihnen mindestens das Haus um die Ohren fliegen sobald sie den Durchschnittswert von 300 Wörtern pro Sekunde unterschreiten, und ausserdem hegen sie eine unerklärliche Aversion gegen Wortendungen, die sie deshalb geflissentlich unterschlagen. ¡hostia!

Aber ansonsten sind alle die Gastfreundschaft in Person, wovon ich mich heute oft genug überzeugen konnte: heute hatte nämlich Claras Papa Geburtstag, das heisst, ab 2 Uhr war das Haus komplett voll mit Familie, und das Beste (Obacht, Klischee): alle waren damit beschäftigt, eine unglaublich enorme Paella zuzubereiten, mit allem möglichen Zeug drin (von Gambas über diverse Gemüse, sonstige Meeresbewohner und armes Karnickel)! Die Paella haben dann die unzähligen Gäste in Rekordzeit vernichtet; ich hab ein bisschen länger gebraucht, weil im Mittagessen noch ein Schnellkurs im Gambasessen enthalten war ("Judith, ¡mira! Kopf ab, Beine ab, Schale ab, und fertig!" haha, was haben wir gelacht, am Schluss hatte ich die Hälfte des Schalentieres auf dem T-Shirt und in der Hand nur noch einen kläglichen Rest plus einen Haufen Beine, Fühler oder was weiss ich. Aber zumindest hab ich so zur Belustigung der Einheimischen beigetragen ;-)! Und nach der Paella ging es weiter mit einem Riesen-Aufgebot an Nachtisch und Schnäpsen, denen alle eifrig zugesprochen haben, sodass in kürzester Zeit die Tanten und Onkels das Singen und Flamencotanzen angefangen haben (Obacht, nochmal Klischee ;-)! Aber das nicht etwa so wie wenn auf einer deutschen Familienfeier irgendwann nach dem zehnten Obstler Onkel Hans das Gröhlen anfängt, sondern echt schön, melodisch und ästhetisch! Ich hab nurnoch mauloffen dagesessen, was eine von Claras Tanten dazu veranlasst hat, mich über den Tisch weg zu beruhigen: "Judith, im normalen Leben sind wir respektable Menschen, mach dir keine Gedanken!"

War also eine echt lustige Feier, vielleicht rege ich beim nächsten runden Geburtstag in meiner eigenen Familie mal an, dass Tante Christel Flamenco tanzt und Onkel Burkhard dazu trommelt ;-)! Wird bestimmt unterhaltsam!

ganz liebe Grüsse aus Málaga- eure Judith

Donnerstag, 13. März 2008

Doch, es GIBT Senesen ;-)

Gestern habe ich zum ersten Mal einen Senesen kennengelernt, dieses sonderbare Völkchen, dessen Existenz ich ja zeitweise schon zu bezweifeln geneigt war.
Er heißt Natalino, ist an die sechzig und ich habe ihn gestern bei einem nächtlichen giro mit Clara auf der Straße liegen sehen. Seiner eigenen Aussage nach hatte er eine Flasche/ein Glas/einen halben Liter (Angaben änderten sich alle paar Minuten) Wein in Kombination mit ein/zwei/einer Packung Schlaftabletten zu sich genommen und wollte nun schlafen/nach Hause/zum Arzt (auch hier Angaben ohne Gewähr). Berechtigterweise machten wir uns einige Sorgen, genau wie das andere Mädel das zu uns gestoßen war. Also haben wir die Misericordia/das Rote Kreuz/die Carabinieri angerufen, sind aber von allen abgewiesen worden, offensichtlich weil alle sozialen Organisationen Sienas an diesem Tag schon fünf Mal ausgerückt waren um Natalino nach Hause oder wahlweise ins Krankenhaus zu bringen, aber jedesmal an dessen heftigem Widerstand gescheitert waren ("bevor ich mit denen vom Roten Kreuz gehe gehe ich lieber in die Hölle!") Mittlerweile waren drei weitere Mädels hinzugekommen, ebenfalls heftig besorgt. Also haben wir bei der Pronto Soccorso angerufen- "Hallo, hier liegt einer auf der Straße, der braucht Hilfe!" - "Heißt er zufällig Natalino?" Also wieder nichts. Zu diesem Zeitpunkt waren wir schon zu siebt, alle um Natalino geschart und nacheinander auf ihn einredend um ihn zum Aufstehen und nach Hause gehen zu bewegen. Aber das einzige was wir, trotz Aufgebot all unseren weiblichen Charmes, erreichten, war dass er uns seine Lebensgeschichte erzählte, mittlerweile wieder recht fit und munter rauchend. Nach etwa einer Stunde passierte dann das, womit wir alle nicht mehr gerechnet hatten: "signorine, wären sie wohl so freundlich mir aufzuhelfen und mich nach Hause zu begleiten?" Wir, die signorine, waren natürlich so freundlich, haben ihn untergehakt und machten uns daran, ihn zu siebt nach Hause zu eskortieren. Als wir um die Ecke bogen, kamen gleichzeitig die Carabinieri, das Rote Kreuz und die von der Pronto Soccorso.
Dies war meine erste Begegnung mit einem Senesen. Mit den anderen Mädels haben Clara und ich Nummern ausgetauscht, sodass der Natalino-Rettungs-Trupp vielleicht mal gemeinsam eine Flasche/ein Glas/einen halben Liter Wein trinken gehen kann.
Es grüßt euch eure Judith von der freiwilligen Misericordia Siena ;-)

Freitag, 7. März 2008

Bella Sicilia!







Wie schon des öfteren erwähnt ist Siena eine hübsche Stadt, hat aber auf Dauer die gleiche Wirkung wie ein starkes Sedativum, oder eine Vorlesung bei Philosophieprofessor Cognetti ("Was ist dieses Nichts, von dem Nietzsche spricht? und woher kommen wir eigentlich?!" - schnarch...)



Deshalb zog es uns, Julia und mich, mal wieder Richtung Jenseits der Mauern, diesmal sogar ein ganzes Stück darüber hinaus: Palermo, Stadt der Araber/Normannen/Griechen/Mafiosi/Calimero-mit-der-Eierschale-uffm-Kopp! Aufgestanden sind wir am Tag der Abfahrt um halb 7, in Palermo angekommen sind wir hingegen um 6 Uhr abends, weil- klar- das Flugzeug 3 Stunden Verspätung hatte. Warum sollte auch was, was in Italien auf Schienen nicht hinhaut, in der Luft reibungslos funktionieren ;-)? War aber nicht schlimm, und in Palermo erwartete uns schon Beta, Julias ehemalige portugiesische Mitbewohnerin, die uns für die 5 Tage beherbergt hat. Sie, Beta, ist ein Spektakel, in jeder Hinsicht: vornehmlich in fröhliches Schwarz gewandet, über und über mit Schwermetall um bzw. durch den Körper geschmückt, ihrer Aussage nach mit starkem Kaffee und Whiskey verheiratet und meist mit einem locker an die Unterlippe gehefteten Joint anzutreffen, ist sie das in Dr Martens wandelnde Beispiel dafür, dass Äußerlichkeiten keinerlei Aussagekraft haben, denn statt unablässig zu fluchen und Kleintiere zu opfern, wie man vermuten könnte, ist sie einer der fröhlichsten, gastfreundlichsten und liebenswertesten Menschen, die ich in Italien getroffen habe.Auch ihr Schlaf-Wach-Rhythmus ist bemerkenswert: die Frau schafft es, jeden (!) Abend bis mindestens vier Uhr wegzugehen (gemeinsam mit Vincenzo, Freund des Hauses mit überwältigendem Schlafzimmerblick, Anna, ihrer goldigen deutschen Mitbewohnerin, diversen anderen Freunden und ihren beiden Ehemännern, Joint und Whiskey ;-), und dann den Tag über zu schlafen (vor der Geräuschkulisse eines sizilianischen Wochenmarktes). Aber entweder waren Julia und ich jeden Tag zu lang auf Sightseeing-Tour, oder wir haben schon zu lange in Siena gelebt, oder wir sind schlichtweg zu alt, auf alle Fälle lagen wir meist um 1 im Bett um am nächsten Tag wieder die Umgebung unsicher zu machen, während der ersten beiden Tage in Begleitung von Nannet, einer Holländerin die auch gerade zu Gast im Hause Beta/Anna/Joint/Whiskey war. Und die Umgebung lohnt es echt, unsicher gemacht zu werden: Palermo ist meine persönliche Traumstadt, und auch Julia war gleich begeistert. Die Stadt ist an manchen (eigentlich sogar ziemlich vielen) Stellen verfallen und schmutzig, an anderen prachtvoll und golden, wie in einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht- und die Menschen das Gegenteil der Senesen: offen, freundlich, präsent und an kulturellem Austausch interessiert (gut, sie sind ja auch schon seit Jahrtausenden an selbigen gewöhnt ;-). In der Tat, Leute, die in palermo Erasmus machen, haben Kontakt zu Einheimischen! In echt!!! Die palermitani kommen nämlich nicht nur einmal im Jahr aus ihren Höhlen gekrochen um 3 minuten lang im Kreis zu reiten und den Rest des Jahres durch Abwesenheit oder touristenmordlüsternen Blick zu glänzen, NEIN, sie verbringen eigentlich sowohl den ganzen Tag als auch 2/3 der Nacht im Freien, diskutierend, gestikulierend und essend (auch das eine sizilianische Eigenheit, wie uns ein rein optisch eindeutig in direkter Linie von William the Conqueror abstammender palermitano erklärt: auf Sizilien nimmt man über den Tag verteilt etwa 20 Mahlzeiten zu sich, die letzte vor dem Zubettgehen, also um 4 Uhr früh.) Kurzum: Julia und ich fühlten uns mehr als wohl in einem Haufen Erasmusstudenten und Sizilianer, die einen an allen Ecken und Enden anquatschen und an ihrem mediterranen Mitteilungsdrang teilhaben lassen, ob wir wollen oder nicht. Aus diesen Gesprächen hat sich dann meist als Fazit ergeben, dass



1) in Deutschland die Menschen alle Steuern zahlen und überhaupt gerne Gesetze beachten (sagen die Sizilianer)



2) die Sizilianer freundlicher sind als die Senesen (sagen wir, und sie selbst eigentlich auch ;-)



3) Julia und ich keine Deutschen sind, sondern wahlweise Spanierinnen, palermitane oder Türkinnen ("ihr seid aber nicht blond- welcher Ethnie gehört ihr denn an?!")



Außer mit Diskussionen dieser Art haben wir unseren tollen Urlaub von Siena mit Besuchen des gigantischen botanischen Gartens, einem Ausflug ans Meer (jahaa!) und einem Tag in Monreale verbracht; und natürlich mit Impressionen von Palermo, die manchmal wirklich bizarr waren: der Busfahrplan der Linie 867 Palermo-Monreale gibt beispielsweise nicht die Abfahrtszeiten von Palermo, sondern die von Monreale aus an (???), erdbebenbedingte Risse im palazzo dei Normanni werden kurzerhand mit Tesaband verklebt (siehe Foto), auf einmal kommt auf einer vielbefahrenen Straßenkreuzung ein Halbwüchsiger auf einem Pony in einem Affenzahn um die Ecke galoppiert (ist Beta zufällig nicht nur mit Joints, sondern auch mit halluzinogenen Pilzen verheiratet, die sie uns heimlich in die Pasta mischt?!) - eben auf der Hauptverkehrsstraße die dann Sonntags gesperrt ist, damit man darauf spazierengehen kann. Lustige Stadt.



Naja, nachdem wir dann irgendwie dem enigmatischen Busfahrplan entnommen hatten, wann die Busse nach Monreale fahren, haben wir auch dorthin einen Ausflug gemacht; der Dom dort ist wirklich der Hammer, die Verbindung von arabischer und normannischer Kunst ist beeindruckend, ein riesen Kirchenschiff komplett aus goldenen Mosaiken! Wenn man sich das so anschaut fragt man sich echt, wie viel Geld die Kirche damals so auf der hohen Kante hatte, und für den nicht unwahrscheinlichen Fall dass sie das heute immer noch hat, warum sie es dann nicht in bester christlicher Nächstenliebe den Entwicklungsländern spendet, was sie diesem Status vermutlich sofort entheben würde.



Nach soviel Gold, Glanz und Glorie haben uns Julia und ich erstmal ein bißchen im angrenzenden Klostergarten in der Sonne entspannt; ein weiterer Grund, Sizilien zu lieben: es war schon so angenehm warm wie bei uns vielleicht Ende April, Anfang Mai! Aufgrund der in Palermo kursierenden Gerüchte, in Bologna habe es im Moment 27 Grad, sind wir dann zwar schweren Herzens, aber voller Hoffnung auf Frühling in der Toskana am Dienstag wieder in den Flieger gestiegen. In Pisa begrüßten uns Regen, Wind und kuschelige 7 Grad. Der, der diesen Mist mit 27 Grad in Bologna verzapft hat, muss wohl zu lange in der Sonne gesessen haben; Tatsache ist, dass es im Moment in Bologna schneit. In Siena übrigens auch.



Naja, zum Glück bin ich ja ab nächsten Freitag in Málaga bei Clara (ich bin irgendwie konstant auf Siena-Flucht, merkt man's ;-)?



Der Besuch im Süden hat sich auf jeden Fall gelohnt, und jedem, der darüber nachdenkt in Italien Erasmus zu machen, sei Palermo wärmstens ans Herz gelegt.



Ganz viele liebe Grüße und einen dicken Kuss an alle



eure reiselustige Judith ;-)