Mittwoch, 12. Dezember 2007

Familienbesuch

Ich gebe es zu: ich bin fremdgegangen. Ich habe das letzte Wochenende vor meinem Heimatbesuch bei einer fremden Familie verbracht, und zwar bei der von Natalia in Roseto, einer kleinen Stadt in den Abruzzen.
Ein Wort zu meiner Verteidigung: ich war einfach neugierig ob die Familie dieser Energiebombe genauso durchgeknallt ist wie sie ;-)! Musste aber feststellen dass Natalia einfach durch nichts zu toppen ist, nichtmal durch ihren sechsjährigen Bruder Alessandro. Dieser hat es mir besonders angetan, er hat nämlich sympathischerweise den gleichen Sprachfehler wie ich: er kann das italienische R nicht gescheit rollen. Mit dem Unterschied, dass er deshalb zur Logopädin geht, während ich es einfach nicht mehr lernen werde, und das obwohl ich Fränkin bin ;-)!
Der Kleine hat auf alle Fälle sofort Shima und mich in Beschlag genommen, uns zum Tischfußballspielen verdonnert und uns dann den marinelli`schen Kleintierzoo vorgestellt (Hund vorm Haus, Katze im Haus, Schildkröte in der Dusche).
Den Samstag haben wir, also Natalia, Shima, Nataliamama, Alessandro und ich, ehrlich gesagt fast vollständig im neueröffneten Shoppingcenter Gran Sasso verbracht, der einzigen Attraktion vor Ort; von diesem Konsumtempel mal abgesehen hat Roseto in etwa den Charme einer ostdeutschen Plattenbausiedlung (sorry Belinda, von diesen Abscheulichkeiten mal abgesehen ist deine Heimat berauschend schön ;-)!
Bei einem kleinen Päuschen zwecks Nahrungsaufnahme bekamen wir witzigerweise Bierdeckel mit dem verschneiten München drauf; das hab ich dann Alessandro gezeigt und ihm erklärt dass das eine Stadt in meiner Heimat ist (er hatte bis dato nicht kapiert dass ich Ausländerin bin; ist ja, rein optisch gesehen, auch nicht so leicht zu enttarnen wie beispielsweise bei Shima, die in seinen Augen zum asiatischen Prototypen par excellence geworden ist- bei jeder Japanerin oder Chinesin, die er sieht, ist er der Meinung das sei die Mama/Schwester/Oma von Shima ;-). Auf jeden Fall wollte er dann, dass ich ihm auf dem Bierdeckel das Haus zeige in dem ich wohne; und glaubt nicht dass er sich mit so Larifari-Ausreden à la "das kann man da nicht so gut erkennen" hätte abspeisen lassen! Also haben wir der Einfachheit halber beschlossen, dass ich in der Frauenkirche in München wohne, dem einzigen Gebäude, das gut erkennbar abgebildet war.
Abends sind Nata, Shima und ich dann ich weiß nicht wie in einem unmöglichen Snob-Tanzschuppen, sorry, LOUNGE, gelandet- überall Kronleuchter, Marmorstatuen, Typen mit Anzug, Kravatte und Champagnerglas in der Hand und optisch dazu passende Damen, die den Eindruck machten als hätten sie in ihrem Leben keine anderen Sorgen als zwingend Kleidergröße 32 beizubehalten und eines Typen mit Anzug, Kravatte und Champagnerglas in der Hand habhaft zu werden. Also genau die Umgebung in der ich mich wohl fühle- aaaahh, wo ist das Laby?!?
Sonntag musste ich dann leider schon wieder den geordneten Rückzug nach Siena antreten weil hier in der letzten Woche vor der Abfahrt einfach noch soooo viel zu regeln ist! "zwei Seelen wohnen ach, in meiner Brust"- was denn, nur zwei??? Faust ist ein Weichei! Wir, die Römleins, sind momentan mindestens zu zehnt, anders wäre das alles im Moment garnicht zu bewältigen! Geschenke kaufen, Sachen packen, nochmal mit José Salsa tanzen gehen, Geschenke einpacken, kreative Karten basteln, Wohnung putzen, Uni gehen (manchmal), und dann natürlich heute einen Umzug regeln: Überraschung! Ab Januar wird Clara, meine kleine andalusische Bombe, bei uns wohnen!!! Aber das bedeutet natürlich auch einen Abschied, und zwar von Shima, meiner kleinen, friedlichen, nonstop lächelnden Lieblingsjapanerin, die am 20. nach Tokio ins Hotel Mama zurückkehrt (kleine Anspielung, hat`s jemand gemerkt?! hahaha, totlach...) Sie wird mir fehlen, geht doch mit ihr nicht nur eine liebe Freundin, sondern auch der einzige Ruhepol in unserer geräuschverseuchten Wohnung!
In der ist übrigens gestern Abend ein Wunder geschehen: ich kam von einer Spanier-Weihnachtsfeier heim (nein Mama, ich bin NICHT nachts alleine nach Hause gelaufen, ich befand mich wie immer in der sicheren Obhut von Carlos und Clara, denen dein Dank auf ewig hinterherschleichen wird ;-), und da fand ich Natalia ganz ruhig, ausgeglichen und zufrieden in der Küche vor. Ich dachte schon sie hätte den Ratgeber "Wie werde ich Buddha in acht Tagen" von C. Giacobbe in der Bücherei entdeckt, aber nein, das waren nur die Nachwirkungen eines Gute-Nacht-Joints (nein Mama, ich gucke sowas noch nichtmal schief an ;-)- fein fein, sie ist ruhig und ausgeglichen weil sie was geraucht hat, ich bin ruhig und ausgeglichen weil sie ruhig und ausgeglichen ist, und alle sind glücklich und zufrieden. Ich bin für die Legalisierung von Marihuana.
So meine Lieben, ich pack dann jetzt mal die letzten zu organisierenden Dinge an (der Kontrollteufel ist voll in seinem Element); und dann seh ich euch ja ganz bald zu Hause! Ich drück euch ein letztes Mal via Blog, dann in echt! Bis nächste Woche! Eure Römleins

Dienstag, 4. Dezember 2007

Jo mei, mir ham an Weihnachtsmarkt!

Die ganze Zeit über erwies sich Siena ja als eher weihnachtsmuffelig (wenn`s um ihren Palio geht drehen die Senesen feiertechnisch ab, aber dass sie mal ne Tanne auf die Piazza stellen, das geht nicht!) Zwar haben sie schon vor Wochen begonnen, halbherzig Lichterketten über die Gässchen zu spannen, aber den entscheidenden Schritt diese auch anzuzünden sind sie dann doch nicht gegangen, man muss es ja nicht übertreiben. Aber mit dem 1. Dezember wurde alles anders. Die mittelalterlichen Strässchen erstrahlen in weihnachtlichem Glanz (und damit meine ich Glanz im Sinne von stimmungsvoller Beleuchtung, nicht das psychedelische Las-Vegas-Geblinke der ascheberscher Innenstadt!), und die Senesen setzen sogar noch eins drauf: ein österreichischer Weihnachtsmarkt, direkt neben der Fortezza! Du kriegst die Tür nicht zu! So richtig mit Buden, Glühwein, selbstgedrehten Kerzen, einem Stand mit echtem, gesalzenem, nach was schmeckendem Vollkornbrot, Sauerkraut, Flammkuchen, alles was das Herz begehrt, nur ohne kalt. Klar also dass gestern Abend eine Gruppe von etwa 30 Deutschen Erasmusstudenten nebst Clara, meine andalusische, aber mittlerweile perfekt "eingedeutschte" Bomba, das Gelände stürmt und mit großen Augen "vin brulee" (-> Glühwein), "wurstel con crauti" (-> was wohl), "zuppa al gulasch" und Bauernbrot ordert. Die Verkäufer dieser Köstlichkeiten, die in unseren Augen zu Halbgöttern werden, sind in der Regel Urbayern oder Österreicher in bunt gestrickten, rustikalen Pullovern, die des Italienischen begrenzt oder garnicht mächtig sind. Einer der in Strick gepackten Halbgötter zaubert, als die Buden schon schließen und wir uns immernoch verzweifelt an den Glühwein klammern, eine Flasche Erdbeerlimes hervor und lädt uns und die anderen Verkäufer auf eine Runde ein, begleitet von den über den Platz gerufenen Worten : " Michl- fragole!!!" Clara, die mittlerweile schon glühweinrote Backen hat, wird vom edlen Spender in ein Gespräch über ihre beiderseitige Herkunft verwickelt ("Ah, Malaga, schee- io lago di Boden, ach nee, lago di Konstanz!") und die Kleine schlägt sich super mit ihrem Deutsch ("i miei piedi sono molto kalt!!!", "Judith, Lisa- Proscht!")
Als dann so gegen halb zehn definitiv keine Möglichkeit mehr besteht an Glühwein oder fragole zu kommen, auch nicht durch Bestechung, siedeln wir über in eine deutsche Kneipe wo wir den Abend zusammen mit einem Haufen Italiener, Spanier, Finnen, Polen etc.pp. über einem bzw. diversen Weizenbieren ausklingen lassen. Und den Michl mit den fragole haben wir kurzerhand mitgenommen, sehr zum Leidwesen des Liseles, dem er ein Ohr abgequatscht hat.
Jetzt hab ich also meinen Bedarf an Heimatkultur erstmal wieder gedeckt; trotzdem freu ich mich schon sehr, das alles schon bald am Originalschauplatz genießen zu können- Heimaturlaub in zwei Wochen! Aschebersch, mein Klein-Las-Vegas, ich komme!!!!
Noch umarme ich euch alle daheim noch virtuell, aber bald schon in echt! Bis bald meine Lieben! Eure Ju
PS: super Foto von mir uff'm störrischen Gaul im Old McDonald had a farm- Blogeintrag! Ich bin die in der Mitte, erkennt man leider nicht so gut. Oder zum Glück, wie man`s nimmt ;-)

Montag, 3. Dezember 2007

Viva la Serenissima!

Juhu, ein Wochenende in Venedig! Vor etwa einer Woche beschlossen Julia, Belinda und ich (das Lisele leider nicht, da von Freund und Basti heimgesucht), der Lagunenstadt einen Besuch abzustatten, Hotel gebucht, alles bestens, sattelt die Gondeln.
Einen Abend vorher, also am Donnerstag, sucht Belinda schon mal Zugverbindungen raus, schließlich kann man ja spontan entscheiden wann´s am besten passt, so gegen 10 Uhr soll`s losgehen. War der Gedanke dahinter. Praktisch kommt uns dann aber leider die berühmt-berüchtigte Trenitalia und ein wesentlicher Bestandteil der italienischen Kultur in den Weg: der Streik. Belinda und Julia stürmen schwer gestresst in Lisas Kommunenküche, wo wir unseren Ärger mit von Basti und Hannes importiertem Augustinerbier runterspülen und beschließen, am nächsten Tag nach Ende des Streiks loszufahren. Der endet um fünf. Warum genau am Freitag?! Warum gerade dann, wenn WIR nach Venedig wollen??? Egoistischerweise sind denen von der Trenitalia ihre Tarifverhandlungen wichtiger als unser Urlaub, uns so kommen wir um elf Uhr nachts statt, wie geplant, gegen Mittag in Mestre an. Das Hotel besticht aber sofort durch zartrosa Wände und den traumhaften Ausblick auf einen mestriner Hinterhof, wirklich nett; wir fühlen uns wohl und fallen in der pastelligen Atmosphäre sofort in einen tiefen Schlaf.
Der nächste Tag ist perfekt: es ist schneidend kalt, aber sonnig, und die Stadt begrüßt uns in geheimnisvollen Nebel gehüllt. Und das Beste: kaum Touristen! Venedig ist an einigen Stellen wie ausgestorben, nur wir, die engen Gässchen und Kanäle und ein paar Möwen! Wie in einem Traum! Aus diesem verwinkelt-verwunschenen Traum werden wir aber ziemlich abrupt geweckt als wir den Markusplatz betreten: Tauben. Tauben so weit das Auge reicht. Überall Tauben. Geflügelte Ratten. Ü-BER-ALL!! Und dann, wir trauen unseren Augen nicht: ein Taubenfutterverkäufer mittendrin! TAUBENFUTTER!!! Hat die Welt sowas schon gesehen?? Würde ein Bauer im Sommer die Schnecken füttern, die seinen Salat auffressen??? Also gehe ich mal auf den Mann zu und frage ihn, warum um alles in der Welt er die Tauben auchnoch füttert? Er schaut mich bitterböse an und antwortet mir in einem Tonfall, der verrät dass er mich, menschlich gesehen, auf einem Level mit Nerzträgern und Hamster-in-die-Mikrowelle-Steckern ansiedelt: "Weil die armen Tierchen Hunger haben!" Ja nee, klar; ich wage einen vorsichtigen Einwand: ob sich die Venezianer denn nicht immer beschweren, die Tauben machten ihre Stadt kaputt? "Ja, macht denn Marghera (Industrievorort von Venedig, Anm.d.Red.) die Stadt nicht kaputt?!" Bestechende Logik. Darauf brauchen wir einen Kaffee und Süßkram, der allerdings aufgrund der direkten Nähe zum taubenfreundlichen Markusplatz über 7 Euro kostet. Danach bummeln wir ein bißchen durch die weihnachtlich-heimelig beleuchteten Gässchen, kaufen ein paar Weihnachtsgeschenke und lassen uns von einem Muranoglasbläser zeigen, wie das mit dem Muranoglasblasen funktioniert. Faszinierend. Danach fahren wir mit dem Bus zurück zu unserem Pastell-Hotel und fragen den Rezeptionisten mit dem putzigen venezianischen Akzent (hört sich an wie Edward, unser amerikanischer Freund, wenn er italienisch spricht) nach dem Weg zu einem günstigen Restaurant. Der drückt uns in weiser Voraussicht einen Stadtplan in die Hand, trotzdem brauchen wir über eine halbe Stunde um das Lokal zu finden, obwohl es faktisch nur etwa 300 Meter vom Hotel entfernt ist. Na und??? Bloß keine Machosprüche à la "Frauen und Orientierung" jetzt- oder ist etwa einer der geschätzten männlichen Blogleser in der Lage, gleichzeitig zu telefonieren, fernzusehen und die Mitbewohnerin vom vollständigen Verzehr der eigenen Schokolade abzuhalten? Na also.
Gesättigt suchen wir danach unser Dreibettkämmerlein auf und freuen uns, dass wir nicht in Mestre wohnen müssen.
Am nächsten Tag fahren wir nochmal nach Venedig rein und bummeln durch die Stadt, u.a. durch das jüdische Viertel- sie ist wirklich wunderschön (die Stadt), still und- von den 5000000 Tauben mal abgesehen- fast ausgestorben.
Türkisfarbene Kanäle, leerstehende palazzi, Gässchen, durch die man nach drei Brioche garantiert nicht mehr durchpasst, und leergefegte Plätze, auf denen jemand Gitarre spielt- die Atmosphäre ist direkt poetisch, also falls jemand von euch nach dichterischer Inspiration sucht, fahrt da mal hin!
Und dann ist das Ende unseres Kurzurlaubs schon gekommen- schade! Heim geht`s ins kanal-und taubenfreie Siena!
Im Zug Richtung Bologna wird Belinda von einem venezianischen Zahnmedizinstudenten eine Frikadelle an die Backe gelabert (diesen schönen, plastischen Bavarismus habe ich übrigens von Julia übernommen ;-). Der Typ, ganz Kavalier, verpasst ihr gleich mal ne Ladung Zahnpasta, die er vorbildlicherweise offenbar immer mit sich führt. Venezianer scheinen mir etwas schrullig, aber macht nix, wer in einer so tollen Stadt lebt, der darf das.
Arrivederci presto, Serenissima!